Schluss mit Geschwurbel – Tipps für lesefreundliche Texte
Ein weißes Blatt Papier kann respekteinflößend sein – sobald der Cursor auf dem Bildschirm blinkt, fühlen wir uns unter Druck gesetzt, etwas geistreiches, perfekt Formuliertes aufs Blatt zu bringen. Der Druck wird umso größer, wenn unser Text sich an jemanden richtet, bei dem wir etwas erreichen wollen: Das Bewerbungsanschreiben soll es ganz nach oben auf den Stapel schaffen, wir wollen die Kolleginnen und Kollegen mit unserem Beitrag im Mitarbeitermagazin gut unterhalten, der Flyertext soll die Zielgruppe ansprechen und die wichtigsten Informationen transportieren.
Viele von uns neigen dann dazu, sich möglichst kompliziert auszudrücken, sich hinter Bandwurmsätzen zu verstecken oder mit Ausdrücken um sich zu werfen, über die wir selbst beim Lesen auch stolpern würden. Das soll seriös und professionell wirken, kommt aber meistens einfach altbacken und prätentiös daher – es geht nicht darum, jemanden mit einer gestelzten Ausdrucksweise zu beeindrucken, sondern darum, eine Verbindung zu deinen Leserinnen und Lesern herzustellen.
Mit ein paar Handwerkstipps aus der Schreibpraxis klappt es gleich besser mit der Lesefreundlichkeit:
1. Verben statt Substantive
Verben sind dynamischer als Substantive – trotzdem lassen wir oft dem inneren Beamten freien Lauf, wenn wir einen Text schreiben, und schmeißen mit Substantiven um uns. Dabei wirkt das nicht gescheiter, sondern unnatürlich, künstlich. Die Steigerung des Substantivs ist übrigens die Substantivierung: Aus einem Verb wird ein Substantiv, meistens mit der Endung „-ung“:
Die Winterfestmachung der Tennisplätze erfolgt im November.
Besser:
Im November machen wir die Tennisplätze winterfest.
ODER
Im November bereiten wir die Tennisplätze auf die Winterzeit vor.
Wer seinen Leserinnen und Lesern einen Gefallen tun möchte, wandelt möglichst viele der Wörter, die auf „-ung“- enden, in Verben um.
Aufgrund der Arbeiten im fließenden Gewässer war eine bauzeitliche Errichtung von Arbeitsebenen aus Wasserbausteinen erforderlich.
Besser:
Weil unsere Experten auch Arbeiten im Flussbett erledigen mussten, haben sie dort Arbeitsebenen aus Wasserbausteinen errichtet, die nach den Bauarbeiten wieder entfernt wurden.
2. Relativsätze – weg mit „welcher/welche/welches“
Dabei handelt es sich um Maßnahmen, welche dem Naturschutz dienen.
Natürlich ist der obenstehende Satz vollkommen korrekt – der Anschluss mit „welche“ klingt trotzdem sperrig. Hier ist die einfachere Variante:
Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die dem Naturschutz dienen.
3. Konjunktionen – mit der Zeit gehen
Sprache verändert sich, ist in Bewegung. Einige Wörter versetzen uns sofort in eine andere Zeit. „Das klingt irgendwie altmodisch, sperrig“ – sobald dich dieses Gefühl beschleicht, geh nochmal ran an den Text.
Wir brauchen eine Rührschüssel und einen Mixer, ferner werden ein Löffel und ein kleiner Topf benötigt.
Besser:
Wir brauchen eine Rührschüssel und einen Mixer, außerdem einen Löffel und einen kleinen Topf.
Ich war heute Morgen nicht im Büro, folglich konnte ich Ihren Anruf nicht entgegennehmen.
Besser:
Ich war heute Morgen nicht im Büro, deswegen habe ich Ihren Anruf leider verpasst.
Harald war mir eine große Hilfe, insofern als er das Buffet schon vorbereitet hat.
Besser:
Harald war mir eine große Hilfe, weil er das Buffet schon vorbereitet hat.
Die Kolleginnen und Kollegen wollten wandern gehen, obgleich das schon beim letzten Betriebsausflug ein Reinfall war.
Besser:
Die Kolleginnen und Kollegen wollten wandern gehen, obwohl das schon beim letzten Betriebsausflug ein Reinfall war.
4. diesbezüglich
Das Wort „diesbezüglich“ ist mir so sehr ein Graus, dass ich diesem Adjektiv einen eigenen Unterpunkt widmen möchte. Das sagt doch wirklich kein Mensch. Diesbezüglich bin ich stur.
Haben Sie diesbezüglich noch Fragen?
Besser:
Haben Sie dazu noch Fragen?
Das Thema Nachhaltigkeit in der Produktion beschäftigt unsere Geschäftsführung schon lange – diesbezüglich möchten wir eine Kundenumfrage durchführen.
Besser:
Das Thema Nachhaltigkeit in der Produktion beschäftigt unsere Geschäftsführung schon lange – deshalb möchten wir dazu eine Kundenumfrage durchführen.
5. Schachtelsätze vermeiden
Auch ich bin Freundin langer Sätze, muss mich aber immer wieder bremsen. Eine gute Hilfe ist es, sich den fertigen Text am Ende noch einmal selbst laut vorzulesen. Wenn ihr mit dem Luftholen nicht hinterherkommt, muss definitiv ein Punkt her – oder sogar mehrere.
Die BILD-Zeitung hat das Schreiben in kurzen Sätzen perfektioniert: Die Redakteurinnen und Redakteure bringen ihre Botschaften mit minimalem Wortaufwand auf den Punkt. Das muss man erstmal können. Mein Tipp lautet definitiv NICHT, aus jedem Text eine Aneinanderreihung von Stakkato-Sätzen zu machen. Aus meiner Sicht liegt das Geheimnis eines guten Textes in einer ausgewogenen Mischung. Wolf Schneider, Journalist, Autor und Stillehrer der deutschen Sprache, hat es so formuliert:
„Das Optimum an eingängigem und attraktivem Deutsch lässt sich durch einen lebhaften Wechsel an mäßig kurzen und mäßig langen Sätzen erzielen.“
Und bitte das Luftholen nicht vergessen!
6. Lieblinge loslassen
Die Aufforderung „Kill your darlings“ ist nicht nur für Romanschreibende ein guter Hinweis darauf, liebgewonnene Charaktere zu streichen, falls sie nicht ins Gesamtkonzept passen. Auch bei anderen Textarten ist es sinnvoll, bestimmte Wörter, Phrasen, Sätze und Formulierungen zu löschen, auch wenn wir daran hängen. Wo haben sich Füllwörter eingeschlichen? Ziemlich, wirklich, an dieser Stelle, sozusagen, quasi… sind Beispiele für solche Füllwörter:
An dieser Stelle werde ich schildern, wie mein Praktikum bei unserer US-amerikanischen Tochtergesellschaft abgelaufen ist.
Ja gut… an welcher Stelle denn sonst? Besser gleich mit der Handlung loslegen. Dass es um ein Praktikum in den USA geht, steht hoffentlich schon irgendwo in der Head oder in der Subhead:
Am 2. April 2021 landeten ich und zwei weitere Azubis in Washington, D.C., wo wir schon am nächsten Tag in unser Praktikum bei der XY starten sollten.
Was klingt zwar toll, wurde aber schon an anderer Stelle mit anderen Worten beschrieben? Weg damit! Ich weiß. Fällt mir auch manchmal schwer.
7. Auch wissenschaftliche Texte müssen lesbar sein
Natürlich gehört es zu einer anspruchsvollen, wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Thema dazu, korrekte Fachbegriffe zu verwenden. Es ist klar, dass sogenannte „Fachfremde“ hier nicht mehr alles problemlos verstehen und nachvollziehen können, weil dafür Wissen vorausgesetzt wird, das nicht jeder oder jede haben kann. Aber ob es nun um einen Artikel in einer Fachzeitschrift, die Doktorarbeit oder „nur“ eine Hausarbeit geht: Wir sind alle Menschen, und wir alle freuen uns über lesbare Texte. Alle meine Tipps machen auch wissenschaftliche Texte zu lesefreundlicheren Texten. Dahingehend würde ich in Erwägung ziehen, die oben aufgeführten Hinweise in Bezug auf Geschwurbel durchaus auch für derartige Textarten in den Fokus zu nehmen.
8. Schreibe, wie du sprichst? – Jein!
Wer schon einmal mit Transkriptionsprogrammen herumexperimentiert hat, wird es bestätigen: Selbst, wenn das Programm alles Gesprochene korrekt in Schrift umwandelt – lesefreundlich ist das Ganze definitiv nicht. Zu viel „ähm“ und „also“, jede Menge Sätze, die im Sande verlaufen, und mit der Grammatik haben wir es auch nicht immer so, wenn wir einfach drauflosreden. Aber die geschriebene Sprache kann sich durchaus eine Scheibe von der gesprochenen Sprache abschneiden.
Stell dir vor, du erzählst jemandem etwas. Beim Schreiben rückt das Gegenüber oft in den Hintergrund, weil du nicht direkt mit deinen Leserinnen und Lesern kommunizierst und ihre Reaktion erlebst. Was, wenn du das Ganze mündlich vortragen würdest? Da fällt die „Winterfestmachung der Tennisplätze“ sofort hinten über.
Beim Sprechen streuen wir automatisch Pausen ein – entweder, weil wir selbst überlegen müssen, oder weil wir auf eine Reaktion warten. In Texten helfen Absätze dabei. Sätze, die auch mal ein Ende haben. Ich bin außerdem Fan von Gedankenstrichen – da hält man auch kurz inne.
Wie sehr du deine Texte an die gesprochene Sprache annäherst, ist natürlich abhängig von deiner Zielgruppe, der Textart und dem Medium, für das du schreibst. Auf deinem eigenen Blog machst um die Regeln, Beiträge für Social Media dürfen flapsiger sein als der Jahresbericht der Geschäftsführung, und wo es um juristische Feinheiten geht, da ist eine Sprache wie im Chat mit der besten Freundin unangebracht. Stell dir die Menschen vor, für die du schreibst – und dann frag dich immer, ob sie sich von deinem Text angesprochen fühlen.